Markus Hoering: Golgatha (2012) - Video
PUBLISHED:  Dec 05, 2013
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Markus Höring: Golgatha (2012)

Kantate für Bariton, Violoncello, Knabenchor, gemischten Chor und Orgel
Text vom Komponisten nach Worten der Heiligen Schrift ( u.a. 7 Worte Christi am Kreuz) und dem "Stabat Mater" (Jacopone da Todi zugeschrieben)

Interpreten:

Tobias Bäz, Violoncello
Christoph Hauser, Orgel
Knabenchor Capella Vocalis Reutlingen, Einstudierung Christian Bonath
Akademischer Chor der Universiät Tübingen
Bariton und Leitung : Universitätsmusikdirektor Philipp Amelung

17.11.2013 Don Bosco-Kirche Germering

Zum Werk:
Im Jahre 2003 schrieb ich auf Anregung eines Münchner Chorleiters ein Stabat mater für Frauenchor a capella, das aber leider nie zur Uraufführung gelangte. Fast 10 Jahre später kam ich zusammen mit Philipp Amelung auf die Idee, zentrale Aspekte dieses Werks als Kern einer neuen, umfangreicheren Auftragskomposition für den Tübinger
Universitätschor zu verwenden. Dabei bearbeitete ich das ursprüngliche Stücke völlig neu für gemischten Chor, Knabenchor, Cello solo und Orgel um, stellte einen biblischen Text voran (Jesus spricht auf dem Kreuzweg zu den Frauen) und kombinierte die einzelnen Abschnitte mit den sogenannten „Verba Christi", also den sieben Worten
Jesu am Kreuz. Dadurch entstand eine umfangreiche, von der Anlage her nun quasi oratorische Gesamtanlage, die das dramatische Geschehen auf dem Berg Golgatha zum Inhalt hat.
Was bedeutet der symbolbeladene Begriff „Golgatha" für den heutigen Menschen,was bedeutet er mir persönlich? Zunächst einmal war der Kreuzigungsberg, die Schädelstätte, für die antiken Christen ein überaus problembehafteter Ort, das Kreuz als Symbol für einen schändlichen Martertod trat daher als christliches Symbol in der antiken Welt so gut wie nie auf. Erst nach dem legendären Sieg Kaiser Konstantins an der milvischen Brücke
(312), der angeblich unter dem Zeichen des Kreuzes stattfand, und der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion 80 Jahre später fand das Kreuz allmählich breiten Eingang in die Bildwelt des Christentums. Von diesem Zeitpunkt an wandelt sich seine Symbolik im Laufe der Jahrhunderte stark: Das ursprünglich tabuisierte Folterinstrument wird zum Triumphkreuz, unter dem Panier von Golgatha werden in perverser Verdrehung der historischen Tatsachen und des friedliebenden Charakters des Urchristentums Kriege geführt, Heiden gewaltsam bekehrt, Ketzer und Hexen verbrannt. Das Kreuz der Schädelstätte wird besonders in der Zeit der Kreuzzüge zum Symbol der europäischen Hybris einer aggressiven Kirchen-und Staatspolitik mit alleinseligmachendem imperialistischem Anspruch. Doch zugleich mehren sich die Stimmen, die die beiden Holzbalken als Ansporn zu Demut, Bescheidenheit, Selbstprüfung und tätiger Nächstenliebe sehen. Die Meditation über das Geschehen rund um Golgatha soll es dem geistlich Suchenden erleichtern, Leid anzunehmen und dadurch spirituell zu reifen. In diesem Zusammenhang entsteht im Mittelalter eine regelrechte Kreuzesmystik, der unter Miteinbeziehung der Figur der schmerzhaften Maria auch der berühmte, dem Franziskanermönch Jacopone da Todi († 1306) zugeschriebene Stabat mater-Text zuzurechnen ist. Der Ort Golgatha steht also für viel Widersprüchliches, für Abstoßendes, Erschreckendes und zugleich menschlich tief Berührendes und Sinnstiftendes.
Er ist ein zentraler Schicksalsort -- besonders für den europäischen Menschen,der sich, egal ob gläubig oder Agnostiker, als Teil eines permanent sich wandelnden historischen Prozesses begreift.
Mein Stück versucht sich mit diesem immens spannenden Thema klanglich auseinanderzusetzen, besonders mit den implizit musikalischen Traditionen. So wird der Hörer jede Menge Querverweise auf Musik des Mittelalters, der Renaissance oder des Barocks finden, die sich aber -- so hoffe ich wenigstens -- zu einer neuen, zeitgemäßen Tonsprache zusammenfinden und dabei helfen, Golgatha nicht nur als schrecklichen Endpunkt, sondern als wesentlichen Wegstein innerhalb eines umfassenden humanistischen Reifungsprozesses hörend zu erfahren.
(Markus Höring)
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