Klingt schräg, ist aber total anspruchsvoll: Konzert beim Förderverein für Neue Musik Heidenheim - Video
PUBLISHED:  Feb 19, 2014
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Mut zu Neuem ist für den Heidenheimer Förderverein für Neue Musik ja Programm. So konnte man am Samstagabend im Saal der Musikschule ein äußerst anregendes, bisweilen aufregendes Konzert erleben, das allerdings auch an die Grenzen des ästhetisch Erträglichen ging.

Die Sopranistin Ingala Fortagne, durch ihr Engagement bei den Opernfestspielen in Heidenheim keine Unbekannte, Rike Kohlhepp, Violine und Viola, sowie Andreas Krennerich, Saxophone, boten als „Trio Fortagne" einen Ausflug in flirrende Klangeffekte mit ungeheurer Spannung.

Schon bei Siegfried Thiele, der im März diesen Jahres 80 Jahre alt wird, wurden die bizarren Klänge mit expressionistischen Schraffuren in seinen „Drei Liedern" mit Texten von Friedrich Hölderlin deutlich. Minimalistische Tiefen auf dem exakt geblasenen Baritonsaxophon, dazu die präzise Artikulation und Phrasierung bei Ingala Fortagnes wandlungsfähigem Sopran und die schroffen Dissonanzen bei Rike Kohlhepps Viola zeigten eine lebendige Klangphantasie und Elastizität tonalen Denkens im Werk des Chemnitzer Komponisten, der zu DDR-Zeiten seine Schwierigkeiten mit den dortigen Kulturpolitikern hatte, es aber 1984 zum Professor für Komposition in Leipzig brachte.

Äußerst bizarr klang es bei „Hälfte des Lebens" und dem Satz „Die Mauern stehn sprachlos und kalt, im Winde klirren die Fahnen". An Schönberg erinnernde, schmerzerfüllte Klanggebilde kamen bei „Die Götter", wo die sprunghafte Dynamik an die Sängerin hohe Anforderung stellte, die Ingala Fortagne aber souverän meisterte. Dieses klanglich kontrastreiche Stück wurde im Juli 2013 zu Ehren des Komponisten vom Trio uraufgeführt und hat mit seiner Sprunghaftigkeit und nervöser Erregtheit auch am Samstagabend in Heidenheim beeindruckt.

Bei Anton Weberns „Fünf Canons" zeigte Ingala Fortagne eine enorme Sicherheit in den extremen Lagen. Der sakrale Ernst der lateinisch gesungenen Passagen wurde durch Andreas Krennerichs Baritonsaxophon mit düstern, schnarrenden Figuren unterstrichen und durch Rike Kohlhepps staccatohafte Sequenzen auf der Violine noch verstärkt. Das schwebende Duettieren von Singstimme und Violine und wilde Saxophonstöße offenbarten ein herbes Klangspektrum, wobei der Stimmumfang und die deklamatorische Präzision der Sängerin immer wieder überraschten.

Unheimlich-düstere Pianissimi auf dem Baritonsax und phonetische Klangspannungen in den Worten bei der „Improvisation" zu Textzeilen des Gedichtzyklus „Steingarten" der Salzburger Lyrikerin Roswitha Klaushofer forderten erneut Respekt vor der konzentrierten Leistung des Trios. „Ich kaue die Farben gründlich Biss um Biss" war eine harte Kost und man merkte die Anspannung auch bei den Künstlern. Bei diesem Konzert wurden für manche Hörer im Bornefeldschen Sinne Türen aufgestoßen zu neuen Vorstellungen des musikalischen Raumes, der wie bei Webern weit über die freie Atonalität hinausweist.

So war man gespannt auf Karlheinz Stockhausens „Tierkreis". Bei dieser „Formelkomposition" müssen nach Stockhausens Vorgabe die Künstler selbst das Werk ausgestalten. „Sie hören es nur einmal" bemerkte Andreas Krennerich augenzwinkernd.

Die Faszination des Tierkreises bestand in der Freiheit, die Stockhausen den Interpreten zugestand und auch forderte. Die Sängerin zeigte eine enorme Flexibilität ihrer Stimme in den schwirrenden Höhen, etwa beim „Wassermann". „Luftig, geistig hell und scharf und klar in die Ferne" kam mit enormem Tempo und kontrastreicher Dynamik. Das elegische Sopranino bei „Fische" unterstrich den exotisch-kontemplativen Charakter dieser Passage und hatte wie die Hochton-Partie bei „Zwillinge" eine magische Anziehungskraft.

Hier wurde die Musik Stockhausens mit ihrem Maximum an objektiver und subjektiver Vieldeutigkeit gekonnt dargestellt. Die spannungsreichen Klangschichtungen wurden nicht nur im Gesang, sondern auch besonders bei den minimalistischen, sprunghaften Figuren der Instrumentalisten verdeutlicht. Ein Konzert, das extreme Offenheit für das Ungewöhnliche forderte und dies auf bewegende Weise: bunt, aber nicht destruktiv.
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