Oktoberklub - Lied vom Vaterland - Video
PUBLISHED:  May 19, 2008
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"Ich habe das Lied damals gern gehört. Es steckte eine Art frischen Patriotismus' darin, den es im Westen nicht gab ... Daher wohl die Rührung - über das kleine klare Lied, das der Oktoberklub im Ost-Radio sang. Das kleine Land, das man an einem Tag durchfährt: ein Land, in dem aus Fabrikantenvillen Kinderheime namens Steppke wurden, wo der Betrieb Lebensort war und kein Platz zum Jobben, wo die Fabriken uns gehören, wo der Prometheus schon um fünf aufsteht. Eigentlich schön, möchte man meinen, eine Geselllschaft, die noch ein paar Ziele hatte außer Bausparvertrag, Lacoste-Hemden und Selbsterfahrungsgruppen ... Das Land aus dem Lied gibt es nicht mehr ... Aber warum rührt mich, nach all den Enthüllungen, das kleine Lied noch immer? ... Vielleicht geht es bei diesem Lied vom Vaterland gar nicht um die DDR. Da klafft ein Loch, die Sehnsucht nach einem Vaterland, das allen abhanden gekommen ist. Auch denen im Westen."

Mathias Greffrath: Ein altes Lied. Oktoberklub, Ost-Identität und ein Land, das niemals untergeht.

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Jedes Land auf der Welt hat seine Volksmusik ein Liedschatz, in Jahrhunderten gewachsen und von Generation zu Generation weitergereicht. Volksmusik ist Musik aus dem Volk für das Volk, Musik »von unten«, Was Sie auf dieser CD hören, ist das genaue Gegenteil: Staatsmusik, Musik »von oben« - Propagandamusik aus der DDR.

In Demokratien westlicher Prägung ist diese Gattung von Liedern nahezu unbekannt totalitäre Staaten aber bedienten und bedienen sich ihrer
immer wieder, so auch die DDR: Für ihre allmächtige Staatspartei, die SED, waren diese Lieder »Gebrauchsgegenstände« im ursprünglichen Wortsinn: Sie wurden gebraucht, auch benutzt - zur ideologischen Indoktrination der Bevölkerung der DDR; sei es, um die Identifikation mit »ihrem« Staat voranzutreiben, sei es, um sie gegen den »Klassenfeind« zu immunisieren. Ein Großteil der hier vorgestellten Titel ist akustisches Pendant visueller
Agitation und Propaganda: zum Lied mutierte Losungstransparente, Schlager aus Schlagzeilen des SED-Zentralorgans »Neues Deutschland«. Diese
Aufnahmen sind Zeitgeschichte, weil sie seismographisch genau Verwerfungen in der Geschichte der DDR aufzeichnen: Aufbau und Stalinisierung, Kalten Krieg und Mauerbau, den Abschied von der Illusion eines geeinten sozialistischen Deutschlands, die Propagierung der »Nation DDR« bis hin zum »real existierenden Sozialismus« Honeckers. Selbst seine Schmähung der Flüchtlinge des Jahres 1989, denen man »keine Träne nachweinen« sollte, war sinngemäß sozusagen in vorauseilendem Gehorsam schon ein Jahr zuvor vom FDJ-»Oktoberklub« in Liedform gefaßt worden (»Wenn Leute unser Land verlassen«).

Liedern, die zu bestimmten herausragenden politischen Ereignissen, Jubiläen oder Kampagnen, entstanden, sind auf dieser CD solche gegenübergestellt, die das Selbstverständnis des SED-Staates, seiner Massenorganisationen und Sicherheitsorgane dokumentieren - einschließlich des Bildes, das die Einheitspartei vom »neuen sozialistischen Menschen« malte (»Fritz, der Traktorist«). Auch solche Lieder blieben von Schwenks in der politischen Generallinie nicht unberührt: nicht wenige erfuhren mehrere Textüberarbeitungen, weil die alten Inhalte nicht mehr mit der veränderten ideologischen Marschrichtung harmonierten. Ein Beispiel dafür, das Stasi-Lied »Wir tragen die roten Spiegel«, ist auf dieser CD in seiner Ur- und Neufassung zu hören.

Mit dem Ende des Staates DDR verschwand auch seine Staatsmusik - augenblicklich und fast spurlos. Stapel von ETERNA- und NOVA-LP's mit realsozialistischem Liedgut landeten nach der Wende im Müllcontainer von Schulen, Bibliotheken und Kulturhäusern; eine typisch deutsche Art von Vergangenheitsbewältigung.
Eine etwas zu einfache - meinen zumindest die Herausgeber dieser CD.
Bei ihrer Veröffentlichung muß einkalkuliert werden, daß der eine oder andere Unverbesserliche sie zur Kultivierung seiner ganz persönlichen DDR-Nostalgie mißbrauchen wird. Zu hoffen ist aber auch, daß diese Edition von der Mehrzahl ihrer Hörer so verstanden' wird, wie sie gemeint ist: als Beitrag zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte in ganz originärer Weise. Dabei gilt: je skuriler das, was hier zu hören ist, mit den Jahren in den Ohren der Deutschen in West und Ost klingen wird, umso näher werden wir der vielbeschworenen »inneren Einheit« gekommen sein.

Marcus Heumann*: im Begleitheft zur CD »"Die Partei hat immer Recht" Eine Dokumentation in Liedern«
*Marcus Heumann (*1965) arbeitet als Redakteur der Abteilung »Hintergrund« beim Deutschlandfunk.

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