alaska

Alaska
"These Sacred Floors"
Dem Augenblick Dauer zu verleihen, der Erinnerung Ausdruck, dem Sehnen einen Haltepunkt im Dort und Dann. Fotos sind ganz wunderbare Vehikel für Zeitreisen. Reisen in die vertraute aber auch in die fremde Vergangenheit. Wie vielsagend und stumm zugleich ist doch ein Foto von Menschen, die wir nicht (er)kennen. Und wie leicht können wir eine eingefrorene Pose in eine Geschichte verwandeln, indem wir das Davor und das Danach des Augenblicks in Gedankenspielen weiterspinnen und ausschmücken. Auch darin liegt eine Faszination alter Fotos.
Es verwundert nicht, dass sich Alaska in ihrem Cover-Artwork seit ihrer Debütsingle "Kings Of The Class" (1999) stets aus den Schuhkartons der eigenen Geschichte bedienen und immer wieder Familienbilder hervorholen, die Momente unbeschwerter Jugend und Kindheit evozieren – rotstichig, verblichen, vergilbt und doch voll Leben, Freude, Unschuld, Ungestüm und unausgesprochener Hoffnung. Denn es sind stets die besonderen Momente, die wir im Leben festzuhalten versuchen – und wenn auch nur im Bild oder in einem Song. So liefern diese Bilder indirekt Referenzpunkte für all die Sehnsucht, von der Torben Schmieder in seinen Texten singt und die er in ebenso zarte wie verführerische Melodien zu umschließen weiß. Musikalisch ist er mit seiner Band seit der ersten Single einen weiten Weg gegangen. War "Kings Of The Class" noch eine klassische Indiehymne im trotzigen Geist der späten 1980er (C86, Sarah, Tweepop…), so lieferten Alaska mit ihrem Debütalbum "Nouveau Liberty" (2005) nicht weniger als Hamburgs Antwort auf Belle and Sebastian ab. Sechs Jahre später (Schnelligkeit und Aktionismus waren ihre Sache nie…) und nach einigen schmerzvollen Irrungen, Wirrungen und Zerwürfnissen melden sie sich nun so kraftvoll wie nie zuvor zurück.
"These Sacred Floors" überrascht mit krachenden Gitarren, einem tighten Beat und ausladenden Keyboard- und Mellotronsounds. Man hört der Platte an, dass die Band, die seit Anfang 2008 neben den beiden Gründungsmitgliedern Torben Schmieder (Gitarre und Gesang) und Christoph Martens (Bass) aus Keyboarder Björn Steffens (Knabenkraut, ex-Connery/Minx), Gitarrist Carsten Lienke (Convent, ex-Connery/Minx) und Schlagzeuger Pat Menck (Phoenix Asteroiden, ex-Kristallin) besteht, in zahlreichen Konzerten eng zusammengewachsen ist. So spielten Alaska u. a. auf dem Indietracks Festival in Ripley (UK), Club-Gigs mit XR Farflight und den Dharma Bums sowie eine Mini-Club-Tour mit dem kalifornischen Singer/Songwriter Anton Barbeau. Die neu gewonnene Dichte spiegelt sich in der von Trennung, Wut und Seelennot geprägten Texten der Platte wider. Die alte neue Freiheit scheint einer Trauer gewichen zu sein, die uns stets am Ende des Sommers befällt. Sang Torben 2005 noch "My heart is full of hope", so heißt es nun "I've seen our love die. I've seen hope just walk away" ("Summer Ends"). Und doch kehren die Erinnerungen und die alten Träume zurück. "The boys are back in town", schallt es wie ein Schlachtruf durch die Straßen. Und eine Ahnung von Unbeschwertheit gibt Vertrauen zurück ("About Somersaults"). Vertrauen darin, dass wir doch in Wahrheit Könige und Königinnen waren – und sind! Die Neueinspielung von "Kings of the Class" ist nur eine der vielen Überraschungen, die diese Platte bereithält. Eine andere ist sicherlich die wunderbare Adaption des McCarthy Klassikers "Red Sleeping Beauty", der hier leise und zart wie ein Wiegenlied beginnt und sich dann doch mit aller Macht erhebt: "While there's still a war to win, my red dream is everything! They won't wake me!"
Alaska sind vielleicht Nostalgiker, durchdrungen und getrieben von Sehnsucht und Wehmut. Doch ihre Songs könnten die Schnappschüsse der Augenblicke sein, die uns in einer Woche, in einem Monat, in einem Jahr das Gefühl des Hier und Jetzt wieder ins Gedächtnis rufen werden. Große Popmusik begleitet uns durchs Leben. Songs werden zu Archiven unserer Erinnerung. "And tomorrow's birthday's got a lot to bring, a lot to bring to you…"
von Thomas Overdick
Bisherige Veröffentlichungen:
2009 "She Was A Rockstar" (auf "Indietracks 2009-Sampler, Make Do And Mend Records, UK)
2008 "Beauty of the World" (auf Pop-Nation Vol.3 Bonvivant Records, Spanien)
2008 „Body Aches" (auf Marsh-Marigold-Review Vol.4)
2008 „Super Extra Thought" (auf „Doing it for the kids"-Sampler Glasgow,UK)
2005 „She Was A Rockstar" (Video, erschienen auf SPEX-DVD Mai 2005)
2005 „Nouveau Liberty" (13 Tracks, auf Marsh Marigold Records)
2004 „Kings Of The Class", „Manège Fou" (auf Marsh-Marigold-Review Vol.3)
2000 „Alaska" (auf Fieberkurve-Sampler Vol.6)
1999 „Kings Of The Class (3 Tracks, 7"-Vinyl auf Marsh Marigold Records)