Von Foerster

Location:
Neukölln, Berlin, DE
Type:
Artist / Band / Musician
Genre:
Concrete / Acousmatic - Tape music / Electroacoustic
Label:
lebal nettalp
Type:
Indie
Es genügt nicht, keine Gedanken zu haben. Man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken . Wir haben dafür zwar bis heute keine Lösung, aber wir bewundern das Problem ! Wir empfehlen daher offene Bildungsinstitutionen, in denen die Lehrenden nicht wissen, welche Ergebnisse bei ihren Veranstaltungen erzielt werden und in denen die Autonomie der Lernenden ernst genommen wird, Institutionen in denen man das Lernen lernt, das Gestalten gestaltet, das Planen plant - und das Erfinden erfindet .



Doch nun erst einmal viel Spaß beim musikalischen Beat-Generation 2.0 Hörspiel-Reigen .

P.S. Bei Risiken oder Nebenwirkungen essen Sie die Packungshülle oder schieben Sie Ihren Arzt zum Apotheker. Danke :-)



Wir wissen heute, dass ein komplexes, nicht-triviales System wie "Gesellschaft" prinzipiell nicht voraussagbar ist. Denn nach jedem Geschehen ist es ein anderes System! Darin liegt der fundamentale Unterschied zu trivialen Dingen, bei denen man von Anfang an schon weiß, was am Ende dabei herauskommen wird. Wenn ich auf das Gaspedal trete, dann fährt das Auto schneller. Wenn ich Eintrittskarten kaufe, dann darf ich in die Ausstellung hinein. Und so weiter, in beruhigender Trivialität.



Frage ich meine Freunde, ob sie sich als triviale oder nicht-triviale "Maschinen" betrachten, so entscheiden sie sich unzweideutig für Nicht-Trivialität, obwohl ihre Antworten anders ausfallen, wenn sie nach ihrer Meinung über andere befragt werden. Das sollte nicht überraschen, weil die triviale Maschine mit ihrer Zuverlässigkeit und Voraussagbarkeit im Vergleich zur unbeständigen, unvoraussagbaren und nicht analysierbaren nicht-trivialen Maschine wie ein Geschenk des Paradieses anmutet. Wir zahlen Unsummen Geldes für Garantien, dass die von uns erworbenen Maschinen nicht nur zum Zeitpunkt des Kaufs trivial sind, sondern auch ihre Trivialität über lange Zeiträume beibehalten. Wenn eines Morgens unser Computer nicht druckt, sondern Töne macht, so lassen wir einen professionellen Trivialisateur kommen, der mit seinen Werkzeugen die erhoffte Trivialität des Computers wiederherstellt.



Als Kinder unserer Kultur sind wir eindeutig in triviale Systeme vernarrt. Und wann immer die Dinge nicht so funktionieren, wie man es erwartet, werden wir versuchen, sie zu trivialisieren: erst dann werden sie berechenbar und voraussagbar.



Glücklicherweise gibt es jedoch die nicht-trivialen Systeme, deren Zukunft prinzipiell nicht entscheidbar ist. Sie gehören zu den Problemen, die nicht durch Wissen, sondern nur mit Gewissen entschieden werden können. Ich meine damit, dass man hier über Fragen entscheidet, die prinzipiell unentscheidbar sind.



Es gibt nun einmal unter den Fragen, Problemen, Vorschlägen, Propositionen etc. solche, die entscheidbar, und solche, die prinzipiell unentscheidbar sind. Die Frage: "Ist die Zahl 137 689 392 durch 2 (restlos) teilbar?" gehört zu den entscheidbaren Fragen. Diese Frage ist nicht um ein Jota schwieriger zu entscheiden, auch wenn die zu teilende Zahl nicht nur wie hier 9 Stellen, sondern eine Million, eine Milliarde oder eine Trillion Stellen hätte. Man kann sich andere Fragen ausdenken, die ebenso leicht oder viel schwieriger oder außerordentlich schwierig zu entscheiden sind, deren Entscheidbarkeit aber dadurch gesichert ist, dass man die Spielregeln eines Formalismus akzeptiert hat, der einem erlaubt, wie auf einem komplexen Begriffsgerüst, längs der Verbindungen von jedem Gelenk jedes beliebige andere Gelenk zu erreichen. Syntax, Arithmetik, die aristotelischen Schlussweisen etc. sind solche Formalismen.



Mein Landsmann Kurt Gödel hat vor mehr als einem halben Jahrhundert eine fundamental wichtige These veröffentlicht. Er beobachtete, dass sich selbst in den raffiniertesten Denksystemen Unentscheidbarkeiten eingenistet haben - eine Katastrophe für die Logiker! Man muß aber gar nicht erst zu logischen Riesenkristallen übergehen, um auf prinzipiell unentscheidbare Fragen aufmerksam zu werden. Zum Beispiel, die Frage "Wie ist das Universum entstanden?" ist prinzipiell unentscheidbar. Das zeigt sich schon darin, dass es zu dieser Frage so viele grundverschiedene Antworten gibt. Einige behaupten, das Universum sei ein Schöpfungsakt gewesen; andere, es wäre nie "entstanden", es ist ein ständig sich erneuerndes System in ewigem dynamischem Gleichgewicht; wieder andere bestehen darauf, dass das, was wir jetzt sehen, die Überbleibsel eines "Urknalls" seien, von dem man sogar heute noch nach zehn, vielleicht zwanzig Milliarden Jahren ein schwaches Rauschen (über riesige Mikrowellen-Antennen) "hören" könne; ganz zu schweigen von dem, was uns Eskimos, Arapesch, Perser, Ibos, Chinesen, Balinesen usw. usw. über diesen Vorfall zu erzählen haben. Mit anderen Worten: Sagen Sie mir, wie das Weltall entstanden ist, und ich sage Ihnen, wer Sie sind! - Selbst wenn es einen Zeugen dieses Vorfalls gäbe - wie können wir feststellen, ob er die Wahrheit spricht, sollte er sich überhaupt daran erinnern?



Ich glaube, den Unterschied zwischen entscheidbaren und prinzipiell unentscheidbaren Fragen ausreichend angedeutet zu haben, um Ihnen jetzt ein zur Jahrtausendschwelle passendes "Foerster'sches Theorem" vorzustellen.



Theorem: "Nur die Fragen, die prinzipiell unentscheidbar sind, können wir entscheiden." Wieso?



Ganz einfach: die entscheidbaren Fragen sind ja schon entschieden, und zwar durch die Spielregeln, in denen die Fragen und die Regeln der Beantwortung bestimmt sind. Es mag manchmal schnell gehen, manchmal sehr lange dauern, bis sich das "Ja" oder das "Nein" der Antwort unweigerlich - oder, wie es so schön heißt, "mit zwingender Logik" - ergibt (bitte auch das Sprachliche der Metapher "sich ergeben" zu beachten).



Bei prinzipiell unentscheidbaren Fragen haben wir jeden Zwang - sogar den der Logik - abgeschüttelt, und haben mit der gewonnenen Freiheit auch die Verantwortung der Entscheidung übernommen. Wir sind alle frei zu entscheiden, wer wir sein wollen, und mit dieser Entscheidung übernehmen wir auch die Verantwortung über unser Sein.

Heinz von Foerster (Neugierologe, † 2002)



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