Joint Venture

Location:
DE
Type:
Artist / Band / Musician
Genre:
Other
Deutschland, 1993: Kleinti Simon und Götz Widmann, zwei von Millionen zu Versagern abgestempelten Ausgemusterten der globalen Marktwirtschaft, sehen nach langen Jahren nutzloser Ausbildungsanstrengungen endlich ein, daß die traditionelle Lohnarbeit unter kapitalistischen Produktionsverhältnissen kaum dazu geeignet ist, einem verantwortlich denkenden Menschen auf die Dauer ein Gefühl von Selbstachtung und gutem Gewissen zu vermitteln. Angesichts von fortschreitender Umweltzerstörung und wachsender sozialer Ungerechtigkeit entscheiden die beiden sich für eine radikale Änderung ihrer Lebens-weise, angelehnt an die Lehren des griechischen Philosophen Diogenes (der mit der Tonne), der in Zeiten, in denen sich Alexander der Große die halbe Welt einverleibte, auf dem Marktplatz von Athen sehr lebhaft eine Philosophie der Leistungsverweigerung bei gleichzeitiger Einschränkung der Bedürfnisse predigte. Eine Anekdote von vielen verdeut-licht vielleicht am besten seine undogmatische Denkweise: Geschlechtlichen Verkehr mit Frauen hielt Diogenes für Zeitverschwendung. Der Weise zog vor, es sich selbst zu machen. Als er einmal auf dem Markt in aller Öffentlichkeit onanierte, wurde er von ein paar Bürgern übel angemacht dafür. Diogenes gab ihnen die Antwort: Wenn nur vom Bauchreiben auch der Hunger wegginge!", spritzte ab und machte, daß er Land gewann. Simon und Widmann wußten, daß sie in ihrem Alter einen derart vollendeten Grad an Weisheit nicht mehr erreichen konnten, aber übertragen auf das späte zwanzigste Jahr-hundert christlicher Zeitrechnung bedeuteten die Lehren des alten Griechen, daß der faule Sack, der mit wenig zufrieden ist, im Grunde einen viel verdienteren Anspruch darauf hat, als wertvol-es Mitglied der Menschengemeinschaft respektiert zu werden als der fette Bonze, der mit seiner ganzen Produziererei nur die Ozonschicht zerstört und nutzlosen Tand erzeugt, den er den anderen hinterher auch noch mit seiner bescheuerten Werbung aufdrängen muß. Wer nichts tut, tut gut!", das war das Gebot der Stunde. Nun, aber von irgendetwas muß man leben, und so entschlossen sich die beiden, ihre frohe neue Botschaft in Liedern zu verbreiten und Popstars zu werden. Um auch Diogenes Gebot von der Einschränkung der Bedürfnisse in ihre Kunst einfließen zu lassen, entwarfen sie ein stark reduziertes Bandkonzept: Schlagzeug, Baß und Keyboards wurden wegrationalisiert, übrig blieb die abgespeckte, leane Band mit zwei Stimmen, zwei Gitarren und ein paar Kleinteilen, die noch in die Gitarrenkoffer paßten. Der Name Joint Venture" wurde dem frisch gegründeten Duo dann von einem Freak im englischen Garten in München bei einem Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verliehen. Deutschland, 1998: Fünf Jahre Rock'n'Roll-Leben haben Simon und Widmann vor allem in der klassisch-griechischen Kunst der Bedürfnisreduktion ein großes Stück weite-rgebracht. Ihr Ziel der Leistungsverweigerung mußten die beiden dafür aber immer wieder den Gesetzen des Überlebens unterwerfen, denn das Haupterbe, das die Herren Mey, Wader und Degenhardt ihren jüngeren Nachfolgern hinterlassen hatten, war das weitver-breitete Vorurteil, daß deutsche Texte zur Gitarre langweilig, dogmatisch und triefsinnig sind. Zu der Tatsache, daß sich diese Einstellung allmählich wandelt, haben Joint Venture mit hunderten von Konzerten sicherlich ihren Teil beigetragen. Bekannt wurden sie einer breiteren Öffentlichkeit allerdings erst 1997 alsVorgruppevonJBO, durch Fernsehgigs bei Bayern 3 und 3-Sat und ihre Auftritte sowohl bei der Hanfparade in Berlin als auch bei den beiden Studentenstreikdemos in Bonn vor jeweils 50.000 Zuschauern. Mittlerweile haben Joint Venture ihre vierte CD veröffentlicht. Auch auf Ich brauch Personal" bewahren sie ihre erfolg-reiche Mischung aus aufrechter Nein-Danke-Haltung, unverklemmten Reimraffinessen und phantasievoller Minimal-instrumentierung. Live wie auf CD beweisen Kleinti Simon und Götz Widmann eine selten gewordene textliche und musika-lische Vielfalt, die den Zuhörer, zuhören vorausgesetzt, auf eine bildreiche Reise durch das breite Spektrum seiner eigenen Emotionen schickt. Zwei Klampfbarden, aber was für welche!



Bleibt zu wünschen, daß solche Songs endlich auch einmal ihren verdienten Weg in die Charts antreten.
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