Sandee – Diva?
Die Frage, die Sandee im Titel ihres neuen Albums, des vierten ihrer Solo-Karriere, stellt, ist keck. Eigentlich ist klar: Sandee ist alles andere, als eine abgehobene Diva. Bodenständig, direkt und ehrlich, so präsentiert sie sich auch auf ihrem neusten Wurf. Und trotzdem sinniert die Bernerin auf ihrem neuen Album, wie es wohl wäre, eine hochgelobte und allseits beachtete Diva zu sein. Sandee widmet sich dem Thema im gleichnamigen Song auf gewohnte Art und Weise: Mit Augenzwinkern, Ironie und einem guten Schuss Zynismus.
Ansonsten zeigt sich die Berner Oberländerin auf ihrem vierten Album von ihrer Sonnenseite. „Wenn ich die Songs so anhöre, scheinen sie mir positiver, denn je“, sagt sie selber. In der Tat scheint Sandee nach Jahren der Reise und der Suche – das letzte Album „Mexico“ war denn auch von Fernweh geprägt – daheim angekommen zu sein. Warum sonst sollte die leidenschaftliche Taucherin in „Marzili“ wohl die schönste Badi der Schweiz den Malediven vorziehen? Überhaupt ist „Diva?“ geprägt von einer Wohlfühl-Ambiance und einer frischen Unbeschwertheit. Was sich musikalisch beispielsweise in frischen Bläsersätzen manifestiert, unterstreicht Sandee mit dem Mut zu feinen Tönen im Gesang: „Ich habe nicht mehr das Gefühl, der ganzen Welt beweisen zu müssen, wie toll meine Stimme ist.“ So traut sie sich in Songs wie „So heiss“ oder „Die bi i da“, dezente, dafür höchst einprägsame Töne anzuschlagen. Was aber nicht heissen will, dass Sandee nicht mehr für kraftvollen und energiegeladenen Mundartrock steht. Kräftige Nummern („Summer“) finden auf Sandees jüngstem Werk ebenso Platz, wie grosse Powerballaden („Schwur“).
Traut sie sich gesanglich auch mal leisere Töne zu, hat die Sängerin heute mehr den je den Mut, auch mal Themen anzusprechen, die ansonsten gerne verschwiegen werden. „Bi derbi“ etwa berichtet vom Aufwachen nach einer durchzechten Nacht mit fatalen Folgen. Und „Was är nid weiss“ ist jene Nummer, die einst als zu heiss taxiert wurde, um auf einem Album veröffentlicht zu werden. „Wir haben den Song auf der letzten Tour gespielt und er kam dort so gut an, dass wir's den Fans einfach schuldig waren, ihn noch nachzuliefern“, kommentiert Sandee die verspätete Veröffentlichung der Geschichte von der verschmähten Liebhaberin, die nicht die Faust im Sack macht, sondern sie wahrhaftig gegen den Übeltäter erhebt.
Am Ende ist es aber vor allem eines das bleibt: Sandee präsentiert sich mit „Diva?“ gereift und gewachsen. „Ich weiss, wo ich hingehöre“, sagt sie schlicht – und freut sich, dass ihr ein abwechslungsreiches viertes Album gelungen ist, das unter dem Strich dennoch durch und durch Sandee ist. Dass die 13 Songs nicht nur aus ihrer Feder und jener ihres langjährigen musikalischen Begleiters Urs Frei stammen, spricht für sich. Zum einen hat ihr Gitarrist Steve Baltensperger bei mehreren Songs mitgeschrieben und -komponiert, zum anderen haben unter anderem Maury und Michi Gertschen (Bündnerflaisch) Tracks zum vierten Sandee-Album beigesteuert.
